Die zweite Miniatur zeigt bildfüllend einen Gelehrten der Alchemie in antikisierendem Gewand und mit phrygischer Mütze, hinter dem sich in saftigen Grün- und Blautönen eine weite Landschaft öffnet. Über Natur und Mensch wölbt sich ein lichter Himmel, der sich am Horizont durch die aufgehende Sonne (lat. aurora consurgens) zart gelblich und orange färbt. Die Kleidung des alchemistischen Philosophen, wie die Weisen der Alchemie genannt werden, ist in Rot und Violett gehalten: die Mütze und das lange Gewand mit doppelter Goldborte in strahlendem Karmesin, Farbe der Perfektion, der über linke Schulter und Arm geführte Überwurf in Purpurviolett. Mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand weist der Gelehrte auf das Ziel seines Trachtens, dem auch sein gebannter Blick gilt: eine mit goldener Flüssigkeit gefüllte hohe Phiole aus Glas, die in seiner linken Hand ruht. An der Spitze des schlanken Glases ist ein dekorativ geschlängeltes, schwarzes Spruchband befestigt, das in goldenen Buchstaben die Worte „Eamus Quesitum Quasuor Elemementorum naturas“ trägt.
Der (orthografisch nicht ganz korrekte) Satz stammt aus dem so genannten Goldenen Traktat des Hermes Trismegistos, dem der Maler des Splendor Solis für die folgenden Miniaturen weitere Sentenzen entnommen hat, und fordert zur Suche nach den Naturen, also den Beschaffenheiten und Erscheinungen der vier Elemente auf. Eine Verbindung des Gelehrten mit der legendären Gestalt des Hermes Trismegistos, des Dreimalgrößten Hermes, einer synkretischen Verbindung der ägyptischen Gottheit Thot mit dem griechischen Gott Hermes, der als Vater der Alchemie verehrt wird, ist deshalb eine zulässige Interpretation des Dargestellten. Eine vergleichbare Gestalt des alchemistischen Philosophen findet sich bereits in der siebten Miniatur der Aurora Consurgens, die diesbezüglich die Vorlage für den Splendor Solis abgegeben haben dürfte.
Jörg Völlnagel
(Kunsthistoriker, Staatliche Museen zu Berlin)
Die zweite Miniatur zeigt bildfüllend einen Gelehrten der Alchemie in antikisierendem Gewand und mit phrygischer Mütze, hinter dem sich in saftigen Grün- und Blautönen eine weite Landschaft öffnet. Über Natur und Mensch wölbt sich ein lichter Himmel, der sich am Horizont durch die aufgehende Sonne (lat. aurora consurgens) zart gelblich und orange färbt. Die Kleidung des alchemistischen Philosophen, wie die Weisen der Alchemie genannt werden, ist in Rot und Violett gehalten: die Mütze und das lange Gewand mit doppelter Goldborte in strahlendem Karmesin, Farbe der Perfektion, der über linke Schulter und Arm geführte Überwurf in Purpurviolett. Mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand weist der Gelehrte auf das Ziel seines Trachtens, dem auch sein gebannter Blick gilt: eine mit goldener Flüssigkeit gefüllte hohe Phiole aus Glas, die in seiner linken Hand ruht. An der Spitze des schlanken Glases ist ein dekorativ geschlängeltes, schwarzes Spruchband befestigt, das in goldenen Buchstaben die Worte „Eamus Quesitum Quasuor Elemementorum naturas“ trägt.
Der (orthografisch nicht ganz korrekte) Satz stammt aus dem so genannten Goldenen Traktat des Hermes Trismegistos, dem der Maler des Splendor Solis für die folgenden Miniaturen weitere Sentenzen entnommen hat, und fordert zur Suche nach den Naturen, also den Beschaffenheiten und Erscheinungen der vier Elemente auf. Eine Verbindung des Gelehrten mit der legendären Gestalt des Hermes Trismegistos, des Dreimalgrößten Hermes, einer synkretischen Verbindung der ägyptischen Gottheit Thot mit dem griechischen Gott Hermes, der als Vater der Alchemie verehrt wird, ist deshalb eine zulässige Interpretation des Dargestellten. Eine vergleichbare Gestalt des alchemistischen Philosophen findet sich bereits in der siebten Miniatur der Aurora Consurgens, die diesbezüglich die Vorlage für den Splendor Solis abgegeben haben dürfte.
Jörg Völlnagel
(Kunsthistoriker, Staatliche Museen zu Berlin)