Stundenbuch der Johanna I. von Kastilien, die Wahnsinnige

f. 29r, Der ans Kreuz geschlagene Jesus und Kreuzigung


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Die erste Szene in chronologischer Reihenfolge, der ans Kreuz geschlagene Jesus, wird in den Hintergrund gedrängt, um die Kreuzigung stärker hervorzuheben. Rechts im Hintergrund der Miniatur wird inmitten der Schriftgelehrten und zahlreicher Soldaten das am Boden liegende Kreuz und zwei Männer gezeigt, die Christus festnageln: einer nagelt beide Füße fest und der andere die rechte Hand. Noch weiter hinten, fast am Horizont, verlosen die Soldaten die nahtlose Tunika des Herrn untereinander. Zwischen den zwei existierenden ikonografischen Formeln, d.h. dem auf dem Boden ausgebreiteten oder aufgerichteten Kreuz, wählte man die erste, deren Quellen seit dem 11. Jahrhundert in der byzantinischen Kunst zu finden sind, wie man in dem Griechischen Barberini-Psalter sehen kann, von wo er in die französische und flämische Kunst überging. Nördlich der Alpen erscheint diese Szene als eine Komposition mit zahlreichen Figuren, die gelegentlich als Nebensujet zur Kreuzigungsabbildung dient. Auf den deutschen und holländischen Passionsaltären und den flämischen Triptychons bildet es die der Kreuzigung vorangehende Szene, wie eine Malerei zeigt, die zur Mitteltafel eines kleinen Gérard David zugeordneten Triptychons aus der Zeit 1480-1490 gehört (London, National Gallery).

Im Vordergrund findet man den toten Christus am T-förmigen Kreuz mit der Aufschrift, auf der man über dem Querbalken «inri» liest, ohne suppedaneum, wo er die Füße abstützen kann; das ausströmende Blut gelangt bis auf den Boden, wo ein Totenkopf und ein Schienbein liegen. Ihm gegenüber faltet die Gottesmutter mit schmerzerfüllter Miene ihre Hände und wird von dem Apostel Johannes gestützt, der ins Angesicht des Herrn blickt, um den Zusammenbruch der Mutter zu verhindern. Die Schriftgelehrten und die Menge der Soldaten ziehen sich von der Hinrichtungsstätte zurück.

Gérard Horenbout schafft einen sehr ausdrucksstarken und glaubhaften Himmel, der eine Abenddämmerung mit starken Lichtkontrasten entstehen lässt. Dort wo Christus ans Kreuz geschlagen wird, ist es am hellsten und bei der Kreuzigung am dunkelsten. Ihm gelingt somit ein dramatisches Klima voll von schlechten Vorzeichen, das der Feierlichkeit des Augenblicks entspricht und einen Kontrast zur lontana città Jerusalems bildet, wo in einem Versuch der Wahrscheinlichkeit der große Turm einer Kirche herausragt. Die Jungfrau Maria erscheint traurig, aber weder vom Schmerz noch von der Verzweiflung überwältigt, obgleich ihr der Apostel Johannes Hilfe leistet, um - den Theorien eines Teils der marianischen Kommentatoren des frühen 14. Jahrhunderts gemäß - eine mögliche Ohnmacht zu verhindern. Diese Theorie setzte sich immer mehr durch, wie man in einem 1506 geschriebenen Werk sehen kann. Vielleicht kurz danach, nachdem das Stundenbuch von Johanna I. von Kastilien gezeichnet wurde: De Spasimo Beatae Virginis Mariae des Dominikaners Tommaso de Vio, wo er verneint, dass die Gottesmutter Maria ihre eigene Qual geäußert hätte und ohnmächtig geworden wäre.

Die Knochen unter dem Kreuz nehmen Bezug sowohl auf die von den Evangelisten Golgatha zugewiesene Bedeutung, d.h. Schädelstätte, als auch auf die Gegenwart Adams unter dem Golgatha, womit eine Tradition belegt wird, die in dem Buch Adams und Evas aus Äthiopien und der Schatzhöhle enthalten ist, die im Mittelalter weit verbreitet war und der zufolge der erste Mensch an dem selben Ort begraben war, an dem Christus geopfert werden sollte und seine Erlösung finden sollte. In der Schatzhöhle heißt es, als «der Messias durch die Lanze den Sieg errang, flossen Blut und Wasser aus seiner Seite, liefen hinunter zum Munde Adams und dies war seine Taufe und so wurde er getauft»; die Knochen Adams sind somit als Fall und erfülltes Erlösungsversprechen auszulegen.


f. 29r, Jesús clavado en la cruz y Crucifixión

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f. 29r, Der ans Kreuz geschlagene Jesus und Kreuzigung

Die erste Szene in chronologischer Reihenfolge, der ans Kreuz geschlagene Jesus, wird in den Hintergrund gedrängt, um die Kreuzigung stärker hervorzuheben. Rechts im Hintergrund der Miniatur wird inmitten der Schriftgelehrten und zahlreicher Soldaten das am Boden liegende Kreuz und zwei Männer gezeigt, die Christus festnageln: einer nagelt beide Füße fest und der andere die rechte Hand. Noch weiter hinten, fast am Horizont, verlosen die Soldaten die nahtlose Tunika des Herrn untereinander. Zwischen den zwei existierenden ikonografischen Formeln, d.h. dem auf dem Boden ausgebreiteten oder aufgerichteten Kreuz, wählte man die erste, deren Quellen seit dem 11. Jahrhundert in der byzantinischen Kunst zu finden sind, wie man in dem Griechischen Barberini-Psalter sehen kann, von wo er in die französische und flämische Kunst überging. Nördlich der Alpen erscheint diese Szene als eine Komposition mit zahlreichen Figuren, die gelegentlich als Nebensujet zur Kreuzigungsabbildung dient. Auf den deutschen und holländischen Passionsaltären und den flämischen Triptychons bildet es die der Kreuzigung vorangehende Szene, wie eine Malerei zeigt, die zur Mitteltafel eines kleinen Gérard David zugeordneten Triptychons aus der Zeit 1480-1490 gehört (London, National Gallery).

Im Vordergrund findet man den toten Christus am T-förmigen Kreuz mit der Aufschrift, auf der man über dem Querbalken «inri» liest, ohne suppedaneum, wo er die Füße abstützen kann; das ausströmende Blut gelangt bis auf den Boden, wo ein Totenkopf und ein Schienbein liegen. Ihm gegenüber faltet die Gottesmutter mit schmerzerfüllter Miene ihre Hände und wird von dem Apostel Johannes gestützt, der ins Angesicht des Herrn blickt, um den Zusammenbruch der Mutter zu verhindern. Die Schriftgelehrten und die Menge der Soldaten ziehen sich von der Hinrichtungsstätte zurück.

Gérard Horenbout schafft einen sehr ausdrucksstarken und glaubhaften Himmel, der eine Abenddämmerung mit starken Lichtkontrasten entstehen lässt. Dort wo Christus ans Kreuz geschlagen wird, ist es am hellsten und bei der Kreuzigung am dunkelsten. Ihm gelingt somit ein dramatisches Klima voll von schlechten Vorzeichen, das der Feierlichkeit des Augenblicks entspricht und einen Kontrast zur lontana città Jerusalems bildet, wo in einem Versuch der Wahrscheinlichkeit der große Turm einer Kirche herausragt. Die Jungfrau Maria erscheint traurig, aber weder vom Schmerz noch von der Verzweiflung überwältigt, obgleich ihr der Apostel Johannes Hilfe leistet, um - den Theorien eines Teils der marianischen Kommentatoren des frühen 14. Jahrhunderts gemäß - eine mögliche Ohnmacht zu verhindern. Diese Theorie setzte sich immer mehr durch, wie man in einem 1506 geschriebenen Werk sehen kann. Vielleicht kurz danach, nachdem das Stundenbuch von Johanna I. von Kastilien gezeichnet wurde: De Spasimo Beatae Virginis Mariae des Dominikaners Tommaso de Vio, wo er verneint, dass die Gottesmutter Maria ihre eigene Qual geäußert hätte und ohnmächtig geworden wäre.

Die Knochen unter dem Kreuz nehmen Bezug sowohl auf die von den Evangelisten Golgatha zugewiesene Bedeutung, d.h. Schädelstätte, als auch auf die Gegenwart Adams unter dem Golgatha, womit eine Tradition belegt wird, die in dem Buch Adams und Evas aus Äthiopien und der Schatzhöhle enthalten ist, die im Mittelalter weit verbreitet war und der zufolge der erste Mensch an dem selben Ort begraben war, an dem Christus geopfert werden sollte und seine Erlösung finden sollte. In der Schatzhöhle heißt es, als «der Messias durch die Lanze den Sieg errang, flossen Blut und Wasser aus seiner Seite, liefen hinunter zum Munde Adams und dies war seine Taufe und so wurde er getauft»; die Knochen Adams sind somit als Fall und erfülltes Erlösungsversprechen auszulegen.


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