In zwei verschiedenen Epochen hergestellt: Canterbury ca. 1200 und Katalonien ca. 1350.
356 Seiten mit über 140 Miniaturen, faszinierende Retabeln, die mit Gold verziert sind.
190 ausgeschmückte Lettern auf goldenem Hintergrund mit Pflanzenmotiven (meist zwei am Beginn jedes Psalms, und zwei kleinere am Beginn der Schlussgebete).
28 historisierte Initialen auf einem karminroten Hintergrund mit Filigrangold (meist ein König, eine betende Person, Christus oder die Jungfrau mit dem Kind).
Der aus 177 Folios bestehende Kommentierte anglo-katalanische Dreifach-Psalter der Französischen Nationalbibliothek (ms. Lat. 8846) stellt in jeder Hinsicht ein außergewöhnliches Kunstwerk dar. Er enthält die drei dem Heiligen Hieronymus zugeschriebenen lateinischen Fassungen oder Übersetzungen der Psalmen, die als Psalterium Romanum, Gallicum und Hebraicum bezeichnet werden.
Psalterien dienten zwar auch zu Studienzwecken, doch in Fällen wie dem hier vorliegenden waren sie zweifelsohne Schöpfungen, die ihrem Eigentümer in erster Linie zu hohem Ansehen verhalfen. Ihre Besitzer stammten aus den höchsten Ständen dieser Epoche und sind unter den einflussreichsten Herrschern zu suchen.
Die meisten der von nur einem am Ende des 12. Jahrhunderts tätigen Schreiber abgeschriebenen Folios des Kommentierten anglo-katalanischen Dreifach-Psalters wurden auf bewunderswerte Weise von erstklassigen Meistern illustriert, die für jeden einzelnen Psalm eine ganz besondere Gestaltung schufen.
Das Zusammenfließen von zwei verschiedenen Vorstellungswelten, der englischen und der katalanischen, zwischen denen mehr als hundert Jahre liegen, ist eines der den Kodex auszeichnenden Hauptmerkmale, das es rechtfertigt, ihn als «anglo-katalanisch» zu bezeichnen. Diese Besonderheit verleiht ihm in der gesamten Kunstgeschichte eine einzigartige Ausnahmestellung.
Die Illustration stammt aus zwei verschiedenen Epochen: der Kommentierte anglo-katalanische Dreifach-Psalter vereint in nur einem und dichten Band zwei ausgesprochen unterschiedliche Ansätze. Jeder von ihnen ist mit spezifischen künstlerischen Überlegungen verknüpft, die aus zwei Epochen und zwei schöpferischen Umfeldern mit ganz eigener Prägung hervorgehen.
Der erste Ansatz (f. 1 bis f. 92v) führt uns in eine ausgesprochen komplexe Zeit um das (England). Es sind die Jahrzehnte, in denen die spätromanische Malerei allmählich von der Malerei der Welt der Gotik verdrängt wird. Dieser erste Teil hat die Ikonographie des Utrecht-Psalters zum Vorbild: 8 ganzseitige Miniaturen (ff. 1r-4v), 52 Miniaturen in der Größe von ca. 15 x 32 cm (seitenbreit) am Beginn jedes Psalms und ausgeschmückte Initialen auf den meisten Seiten.
Die Miniaturen der Folios 72v, 73v, 80v, 81v, 82v und 86v gehören bereits zur zweiten Epoche, obwohl sie von einem anderen Stil geprägt sind; sie sind vom katalanischen Künstler über eine vom englischen Maler unvollendeten Skizze gemalt worden (was uns die Komposition und die Ikonographie zeigt, die am Modell des Psalteriums von Utrechtinspiriert sind, und auch die stilistischen und technischen Faktoren: die Kleidung, die Verwendung des Königsblau, das auf den späteren Seiten verschwindet...; die ausgeschmückten Lettern dieser Blätter stammen alle vom englischen Miniaturisten).
Die zweite Phase (f. 93r bis f. 174r) der Illustration steht im Kontext des ersten katalanischen Italianismus des 14. Jahrhunderts. Es ist ein die Lehren Giottos aufgreifendes Universum, das sich auch den Neuerungen anderer seiner berühmten toskanischen Zeitgenossen empfänglich zeigt. Ab dem Folio 93 befinden sich 46 seitenbreite Miniaturen in der Höhe von 15 bis 25 cm, in lebende Farben eingerahmt und in zwei oder drei Unterteilungen unterteilt, die ihrerseits wieder in zwei oder drei Teile unterteilt sind (es gibt nur wenige Szenen, die nicht unterteilt sind: ff. 164v, 170v). Ab dem Folio 93 finden wir eine gewisse Freiheit in der Ikonographie: typologische Interpretation der Psalmen als Prophezeiungen des Neuen Testamentes; karminrote Hintergründe mit Goldfiligran oder puliertem Blattgold. An der Illustration der zweiten Hälfte haben verschiedene katalanische Artisten derselben Werkstätte teilgenommen. Es ist möglich, dass die Arbeit auf verschiedene Bögen aufgeteilt worden ist. Die Motive, architektonische und pflanzliche Details, sowie die Kleidung und die verwendete Farbpalette sind sehr einheitlich, man erkennt jedoch einige Variationen, aus denen man schließen kann, dass mehrere Künstler an diesem Werk gearbeitet haben. Dieser zweite Teil hat sich als Arbeit von Ferrer und Arnau Bassa und ihrer Werkstatt herausgestellt.
Beide Ansätze teilen ihre vortreffiche Qualität in einem darstellenden Werk der herausragendsten englischen Malerei Ende des 12. Jahrhundert und ebenfalls der katalanischen Malerei des 14. Jahrhunderts mit erneuernden und interessanten Einflüssen.
Geschichte des Kodex: Das unvollendete Manuskript kam bald nach seiner Herstellung nach Katalonien. Auf dem Folio A finden wir ein langes Gebet in Latein, welches von einer katalanischen Hand dort eingetragen wurde (14.-15. Jhdt.). Aller Wahrscheinlichkei nach stammt es aus der Bibliothek von Jean de Berry, wie nach einem Inventar der Bücher und Schmuckstücke des Herzogs zu schließen ist. Es ist möglich, dass es Teil der 78 verkauften Kodizes ist, welche Charles Croy, Graf von Chimay im Jahre 1511 an Margarete von Österreich, Regentin über die Niederlanden, verkaufte. Als der Kodex nach Paris kam, hatte er einen samtgrünen Einband, was uns erlaubt, sein Schicksal in den diversen Inventaren von Margarete von Österreich nachzuvollziehen. Er gelang gemeinsam mit dem Großteil der Bücher von Margarete von Österreich an ihre Nichte Maria von Ungarn, Schwester des Karl des V. Nach dem Tod der Königin von Ungarn kam er in den Fundus der Bibliothek von Burgund in Brüssel. Er scheint im Inventar auf, das zwischen 1615 und 1617 für die Großherzoge Albert und Isabella durchgeführt wurde. Das Manuskript gelang von der Brüsseler Bibliothek im Jahre 1796 nach Paris und wurde unter Napoleon I im Jahr 1809 neu eingebunden.