Beschreibung
Das Buch von der Jagd, von Gaston Fébus
Bibliothèque nationale de France, Paris
Geschichte des Kodex
Das Manuskript ist im Laufe seiner Geschichte durch die Hände zahlreicher Eigentümer gegangen: Aymar von Poitiers (ausgehendes 15. Jahrhundert); Bernhard von Cles, Bischof von Trient, der kurz vor 1530 das Manuskript Ferdinand I. von Habsburg, Prinz von Spanien und Erzherzog von Österreich, dem Bruder von Karl V., schenkte. 1661 schenkte der Marquis von Vigneau das Buch von der Jagd dem König Ludwig XIV. (Regierungszeit 1643-1715), der befahl, das Manuskript in der Königlichen Bibliothek aufzubewahren. 1709 wurde es aus der Bibliothek genommen und gelangte in die Hände des französischen Thronfolgers, des Herzogs von Burgund, der es seinerseits im Königlichen Kabinett archivieren ließ. 1726 taucht das Manuskript wieder im Besitz von Louis-Alexandre von Borbon, des unehelichen Sohns von Ludwig XIV., in der Bibliothek von Schloss Rambouillet auf. Nach seinen Tod erbte es sein Sohn, der Herzog von Penthièvre. Später gehörte es der Orléans-Familie und schließlich König Louis-Philippe, der es im Louvre abstellte. Nach der Revolution von 1848 wurde es an die Nationalbibliothek zurückgegeben.
Das Buch
Das Buch von der Jagd wurde geschrieben - oder besser gesagt - von Gaston Fébus, Graf von Foix und Vicomte von Béarn, einem Schreiber im Zeitraum zwischen 1387 und 1389 diktiert und dem Herzog von Burgund, Philipp II. dem Kühnen, gewidmet. Mann mit einer schillernden Persönlichkeit und einem bewegten Leben war Fébus ein großer Jäger und großer Liebhaber von der Jagd und der Falknerei gewidmeten Büchern. Der von ihm sorgfältig verfasste Band war bis zum Ende des 16. Jahrhunderts das Standardwerk für jeden Liebhaber der Jagdkunst. Andererseits legte das Buch von der Jagd durch die klare und präzise Beschreibung der Natur und verschiedener Tierarten die Grundlagen einer umfassenden Naturgeschichte, die ein so angesehener Naturforscher wie Georges Buffon (1707-1788) bedenkenlos für seine eigene Naturgeschichte aufgriff, ein bis ins 19. Jahrhundert maßgebliches Handbuch.
Von den 44 von diesem Werk erhaltenen Exemplaren ist das Manuskript Français 616 zweifelsohne das schönste und vollständigste. Der Text ist in einem exzellenten Französisch verfasst, in dem Einflüsse aus der Normandie und Pikardie erkennbar sind. Dieses Manuskript enthält neben dem eigentlichen Buch von der Jagd das ebenfalls von Gaston Fébus geschriebene Buch der Gebete sowie ein zweites von Gace de La Bigne verfasste Traktat mit der Überschrift Jagdfreuden. Seine Seiten werden von 87 Miniaturen beeindruckender Qualität illustriert, die zu den attraktivsten Schöpfungen der Pariser Buchmalerei des frühen 15. Jahrhunderts gehören. In der Tat gibt es nur wenige sich mit dem Waidwerk beschäftigende Bücher, deren Bilderpracht das bei Bibeln anzutreffende Niveau erreicht.
Die Lehren
Das Buch von der Jagd war bis Ende des 16. Jahrhunderts das "Gebetbuch" schlechthin für die Anhänger der Jagdkunst. Es handelt sich um ein Lehrbuch für Jäger, das in sieben Kapitel gegliedert ist, die von einem Prolog und einem Epilog eingerahmt sind, das bis ins Detail beschreibt, wie eine Jagd durchzuführen ist. Für junge Schüler geschrieben, stellt der Text ein prägnantes Lehrwerk dar, das sich durch die Lebendigkeit und das Interesse desjenigen auszeichnet, den dieses Sachgebiet fasziniert. Gaston Fébus vergisst nicht die wichtige Rolle der an den Jagden mitwirkenden Tiere, vor allem der Hunde, den treuen Helfern der Jäger. Er vermittelt seine Kenntnisse der verschiedenen Rassen und ihre jeweiligen Verhaltensmuster, wie man sie abrichtet, wie man sie füttert und sogar wie man ihre verschiedenen Krankheiten behandelt. Hierbei wird deutlich, dass die Jagd als das Hobby par excellence jedes Feudalherrn des Mittelalters kein reiner Zeitvertreib ist, sondern viele menschliche als auch professionelle Fähigkeiten und Qualitäten beinhaltet.
Das Werk von Gaston Fébus allerdings nur auf seine technische Komponenten zu reduzieren, würde an seinem Wesen vorbeigehen. Tatsächlich ist dieses so persönliche und originelle Traktat über die Welt der Jagd hinausgehend vor allem ein typisches Werk seiner Zeit. Einer Epoche, in der die Vorstellung von der Sünde und die Furcht vor der Verdammung überall zugegen war. Beim Abfassen seines Werks stellt Gaston Fébus die Jagd als eine Bußtätigkeit dar, die dem Jäger den direkten Zugang zum Paradies gewähren würde. In der Tat ist die körperliche Anstrengung des Jagens, die einer gewissen Erfahrung bedarf, ein perfektes Gegenmittel, um Müßiggang zu vermeiden, der Ursprung allen Bösen ist. Gleichzeitig erhält es die körperliche und geistige Besonnenheit und vermeidet somit die Möglichkeit der Sünde. Dieses Werk thematisiert nichts anderes als die Tragödie der menschlichen Existenz, die Suche nach dem ewigen Leben nach dem Wandel durch das irdische Leben, in dem wir uns dieses verdienen.
Die Illustration
Die Miniaturen des Buchs von der Jagd wurden bei verschiedenen Künstlern in Auftrag gegeben, u.a. an eine als "Bedford-Schule" bezeichnete Gruppe, aus der aufgrund seines Talents für Beobachtung und dekorative Stilisierung der Meister der Adelfen herausragt, die seine Arbeiten zu Paradebeispielen des weichen Stils der Spätgotik machen. Ebenfalls im Umfeld dieser Gruppe können wir den Egerton-Meister mit einem den Limburg-Brüdern nahekommenden Stil ansiedeln. Schließlich glauben wir auch den Meister des Sendschreibens von Othea ausmachen zu können, dessen Werke durch seine grobe Malstruktur erkennbar sind, stark abweichend von dem für die "Bedford-Schule" typischen weichen Fall, mit der er anscheinend nur bei diesem Manuskript zusammengearbeitet hat.
In perfekter Beherrschung der Darstellungsweisen des Mittelalters stellen die Miniaturisten ihre Kunst in den Dienst des pädagogischen Anliegens von Gaston Fébus. Die Hintergründe sind prächtig mit Miniaturen dekoriert, die an die Wandteppiche der Epoche erinnern, allerdings in kleinerem Format. Es wird dabei nicht angestrebt, einen der Wirklichkeit getreuen Raum abzubilden, sondern die Wertehierarchie hervorzuheben. Alles ist berechnet und spiegelt sich in einem kohärenten Diskurs wider. Der Zeitenlauf wird gelungen durch die verschiedenen Lebensalter der Personen, ihre Tätigkeiten, ihre Beziehungen und ihre Anordnung im Raum angedeutet; so wird ein Parallelismus zwischen der Jagd und dem Lernprozess des Lebens geschaffen. Der nachahmende und gleichzeitig geordnete Charakter der Elemente verleiht dem Ensemble große Substanz und eine gewisse Gelassenheit, wobei er den Leser führt, damit dieser die Geheimnisse einer richtig durchgeführten Jagd entdeckt. Über die Jagd-Lektion hinausgehend wird somit eine Lektion für das Leben erteilt.
Somit wird also ein für die Epoche typisches Spiel der Entsprechungen geschaffen: die Körperteile werden in Bezug zu den Planeten gesetzt, die Sterne und Blumen der Erde mit dem Himmel. Die Welt erschallt in einem konstanten Eigenecho. Auf der anderen Seite spiegelt die mit der Dynamik der Linienführung verknüpfte Nähe der Wesen und der Dinge eine Kommunikation zwischen ihnen. In der Tat basiert, wie der Philosoph Michel Foucault erklärt hat, das Wissen über die sichtbare und unsichtbare Welt, die Kunst sie darzustellen und ihre Interpretation bis ins 16. Jahrhundert auf der Ähnlichkeit und Wiederholung: die Erde spiegelt den Himmel, die Kunst ist das Spiegelbild der Welt. In dem spezifischen Fall des Buchs von der Jagd entsteht dieser Bezug durch die zwischen den Jägern und ihrer Beute bestehende Kommunion, womit auf die durch die versprochene Buße und Erlösung geschaffene spirituelle Dimension der Jagd abgestellt wird.