Bibliographische Angaben
Sie gehörte dem Ludwig IX., dem Heiligen, König von Frankreich, der sie an Alfons X., den Weisen, weitergab.
Die Bibel wurde in den Werkstätten von Paris in der ersten Hälfte des 13. Jahrhundert entworfen und illustriert.
Durch die bildlichen Darstellungen der Bibel Ludwigs des Heiligen können wir das Mittelalter näher kennenlernen.
Der Bibeltext und seine Kommentare bilden eine Einheit mit den ikonographischen Darstellungen.
Ein einzigartiges Werk der Buchkunst, das eine unerschöpfliche Quelle für Geschichtswissenschafter darstellt und eine wahre Augenweide für alle ist.
Die Bibel Ludwigs des Heiligen
Die Bibel Ludwigs des Heiligen, die zur Zeit in der Kathedrale von Toledo aufbewahrt wird, nimmt einen bedeutenden Platz unter den Kunstschätzen der Kathedrale von Toledo ein. Es handelt sich dabei um eine "bible moralisée" in lateinischer Sprache, die aufgrund ihrer außergewöhnlichen Schönheit auch die "reiche Bibel von Toledo" genannt wird.
Die ältesten Daten, die auf dieses Werk in Kastilien zurückgehen, stammen aus dem Testament und dem Kodizill Alfons X., des Weisen. In seinem Testament nimmt der kastilische König bezug auf die Bibel Ludwigs des Heiligen und beschreibt sie als eine Bibel "in drei Büchern, eine Historienbibel, die uns König Ludwig von Frankreich geschenkt hat" und als "eine der nobelsten Sachen die dem König gehören". Wir können mit aller Sicherheit behaupten, daß es sich bei der Bibel Ludwigs des Heiligen, die in der Kathedrale von Toledo aufbewahrt wird, um die von Alfons X. handelt. An der Bibel vorgenommene Studien über verschiedenste Aspekte und eine inhaltliche Analyse, erlauben uns, den Entstehungszeitraum mit ziemlicher Genauigkeit festzulegen: zwischen 1226 und 1234. Diese ungeheuer große, genau ausgeführte und minuziöse Arbeit verlangte die volle Widmung vieler Experten verschiedenster Materien, wie zum Beispiel Theologen, Abschreiber und Miniaturmaler.
Dieser Kodex wurde für Könige angefertigt, und diente sowohl für Bildung und Information, als auch für pädagogische Zwecke bei der Ausbildung des zukünftigen Königs von Frankreich. Während der letzten acht Jahrhunderte war der Domkapitel der Kathedrale von Toledo damit beauftragt dieses bibliographische Schmuckstück aufzubewahren, welches als einzigartig bezeichnet werden kann und von allen, die es gesehen haben, bewundert wird.
Die Zahl der Wissenschafter, die an der Erforschung dieser unerschöpflichen Quelle interessiert sind, in der so viel Belehrendes und für das 13. Jhdt. charakteristische Kulturgut angesammelt ist, nimmt stetig zu. Die Zahl der Ansuchen, die der Domkapitel von Personen erhält, welche die Bibel sehen wollen, um so die verschiedensten Themen und Materien studieren zu können, steigt täglich an. Der Grund für dieses enorme Interesse ist vielfältig: biblische und theologische Studien einerseits; der künstlerische und ornamentale Aspekt, der ebenfalls viel Neugier hervorruft, andererseits; und schließlich auch noch eine dritte und letzte Gruppe, die all jene umfaßt, die an der historischen Perspektive interessiert sind.
Der Domkapitel der Kathedrale von Toledo ist sich darüber bewußt, daß er jenen, die daran Interesse haben die Bibel zu analysieren, das Studium derselben erleichtern soll. Aber andererseits ist es ebenfalls seine Aufgabe, dieses Prachtwerk in seinem besten Zustand in der Schatzkammer der Kathedrale aufzubewahren, wie es bereits viele Jahrhunderte zuvor unter den höchsten Sicherheitsvorkehrungen geschehen ist.
Aus diesen Gründen hat der Domkapitel beschlossen eine Faksimile-Edition der Bibel Ludwigs des Heiligen anfertigen zu lassen: „Das verwirklichte Projekt ist zu loben. Nach vielen Gesprächen mit verschiedenen Verlagshäusern wurde der Verlag M. Moleiro Editor mit dem Projekt beauftragt. Das Ergebnis ist ohne Zweifel für alle Beteiligten exzellent.“ Schließlich möchte ich noch meine Genugtuung zum Ausdruck bringen und zugleich die Gelegenheit nutzen all jenen zu danken, die zu der Verwirklichung dieser Faksimile-Edition der Bibel Ludwigs des Heiligen beigetragen haben. Ich denke an alle, die diesem schwierigen Projekt im Hintergrund und auf fast anonyme Weise so viele Stunden und Eifer gewidmet haben, bis es vollendet war und zu einer wunderschönen Realität geworden ist, die ein großes Lob verdient.
Auf diese Art und Weise dient man der Kultur und macht es den verschiedensten Bibliotheken und auch einzelnen Personen, die sich für diese Themen interessieren, zugänglich. Auf diese Weise ermöglicht der Domkapitel die Reproduktion dieses Werkes und kommt vielen Forschungs- und Studienprojekten entgegen.
Francisco Álvarez Martínez
Kardinal Erzbischof von Toledo
Die Bibel in Kastilien
Die Bibel Ludwigs des Heiligen wird erstmals im Testament und im Kodizill Alfons X des Weisen von Kastilien erwähnt. Im Testament, welches im Jahre 1282 errichtet wurde, wird eine Bibel beschrieben: "in drei Büchern, eine Historienbibel, die uns König Ludwig von Frankreich geschenkt hat.". Diese spärlichen Daten sind sehr wichtig und reichen aus, um mit Sicherheit sagen zu können, dass es sich dabei um dasselbe Exemplar handelt, welches heute in der Kathedrale von Toledo aufbewahrt wird: die vorliegende Bibel ist mit Medaillons ausgeschmückt, welche die einzelnen Geschichten der Bibel darstellen, sie ist in drei Bücher bzw. Bände unterteilt und der erste Besitzer war Ludwig IX., König von Frankreich. All dies stimmt mit der Bibel von Toledo überein. Außerdem ist hier noch hinzuzufügen, daß Ludwig IX. diese Bibel an Alfons X. weitergegeben hat. Diese wertvolle Information klärt das Rätsel auf, warum dieser wertvolle Kodex in Kastilien zu finden ist.
Alfons X. schätzte diese Bibel besonders und zählte sie in seinem Testament zu jenen «noblen Sachen, die dem König gehören». Im Kodizill, welches auf das Jahr 1284 zurückgeht, spricht er von dem «was wir in Toledo hatten und was uns genommen wurde», eine Anspielung auf den Diebstahl königlichen Besitzes. Es ist möglich, daß unter diesen Dingen auch die Historienbibel zu finden war. Der König drückt seinen Kummer aus, diese «reiche und noble Sache» verloren zu haben. Dieser Eintrag, der dem Testament hinzugefügt wurde, wiederholte seine Überzeugung, daß dieses Juwel ausschließlich für Könige bestimmt war.
Einzigartige Bibel
Die Bibel des Heiligen Ludwig ist Teil einer kleinen Sammlung von sieben Bibeln, die im 13. Jahrhundert für Persönlichkeiten des französischen Königshauses, der damals herrschenden Dynastie der Kapetinger, abgeschrieben wurden. Es handelt sich dabei um eine besondere Art des biblischen Buches, für welches es in der Tradition der europäischen Schreibstuben keinen Präzedenzfall gab. Die Bibel ist reich illuminiert, wie es der Würde derjenigen, die sie besitzen sollten, entsprach.
Im allgemeinen kennt man sie besser unter dem moderneren Namen der „Bibles moralisées“. Wie bereits festgestellt wurde, gibt es aufgrund der hohen Herstellungskosten nur sehr wenige Exemplare. Das herausragendste Merkmal dieser Bücher ist der enorme Reichtum und der Prunk, den sie entfalten. Ihre äußere Erscheinung ist so außerordentlich, daß man sofort denkt, daß diese Bücher für niemand anderen als die höchststehenden Personen der mittelalterlichen Gesellschaft bestimmt sein konnten. Und tatsächlich war es auch genau so: es handelt sich um Bibeln, die ausschließlich für den Gebrauch der Könige bestimmt waren.
Die große Anzahl und die hohe Qualität der illuminierten Geschichten bringen es mit sich, daß dieses äußere Erscheinungsbild von Anfang an die Aufmerksamkeit des Lesers auf sich zieht. Die Einzigartigkeit dieser Bibeln zeigt sich hauptsächlich in zwei Aspekten, und zwar im kodikologischen und im textlichen.
Was das Werk als Buch betrifft, muß man zugeben, daß alles an ihm großartig ist. Diejenigen, die das Werk in Auftrag gegeben haben, beherbergten ein riesiges Projekt in ihrem Kopf, das viel größer war, als was die Kunstbuchhandwerker damals zu produzieren gewöhnt waren. Wir können sogar sagen, daß alles um der Großartigkeit willen geopfert wurde. Das Projekt bringt solch große und luxuriöse Ansprüche mit sich, daß sich diejenigen, die mit der Ausführung beauftragt wurden, dazu angehalten sahen, viele der in den Werkstätten der Kopisten und Miniaturisten geltenden Normen zu überschreiten.
Das Format ist sehr groß, ohne die Dimension der antiken, atlantischen Bibeln zu erreichen, und die Anzahl der Blätter, die alle von bester Qualität sind, ist außergewöhnlich. Die reichhaltige Verzierung machte es unmöglich, daß die Pergamentblätter eine solche Last an Farbe und Gold auf beiden Seiten aufnehmen konnten: die Farbstoffe drangen bis zur anderen Seite durch und warfen das Blatt auf. Es gab keine andere Möglichkeit als die, je eine Seite eines Blattes leer zu lassen.
Das Erstaunlichste daran ist, daß die beschriftete und bemalte Seite nicht die hellere Innenseite der Haut ist, sondern die Außenseite, die das Fell getragen hatte. Das hatte seine Logik, denn aufgrund der rauhen Oberfläche hafteten die Farben besser an dieser Außenseite.
Die ganze Bibel erscheint als ein totum continuum, dem eine große mit Miniaturen bemalte Seite (Gott als Architekt des Universums) voransteht und das auch mit einem ebenfalls ganzseitigen Miniaturbild (Königin Bianca und ihr Sohn Ludwig im oberen Bildstreifen, die Kunsthandwerker des Kodex im unteren Bildfeld) abschließt, was darauf hinweist, daß das Buch als eine einzige große Einheit konzipiert wurde. Die fertigen Blätter wurden übereinander gestapelt und am Schluß mußte als letzter Schritt eine Unterteilung in drei Bände vorgenommen werden, was weder vorgesehen noch einkalkuliert gewesen war. Die Unterteilung wurde auf eine etwas willkürliche Art durchgeführt, wie man feststellen kann, wenn man die Stellen, an denen in die einzelnen Bände unterteilt wurde, aufmerksam betrachtet.
Wenn wir das Werk unter dem Gesichtspunkt des Textes betrachten, merken wir, daß es nicht unbedingt mit unserer Vorstellung einer Bibel übereinstimmt. In erster Linie stellen wir bei einer genaueren Betrachtung des Geschriebenen fest, daß es sich nicht um eine vollständige Bibel handelt, sondern um eine Auswahl biblischer Texte unter Auslassung vieler anderer. Genau die Hälfte der literarischen Teile gehört nicht zur Bibel, sondern sind Kommentare, die von anonym gebliebenen Theologen erarbeitet wurden. Kein einziger biblischer Text erscheint allein, sondern wird immer von einem autorisierten Kommentar begleitet. Diese kurzen theologischen Texte sind den Verantwortlichen des Werkes so wichtig, daß ihnen dieselbe aufwendige Behandlung zuteil wird wie dem Bibeltext selbst. Sowohl das eine wie auch das andere wird seitlich mit einer illuminierten Geschichte ikonographisch ausgeschmückt.
Es gehören also die Texte, die wir in diesem Werk finden, zur Hälfte der Bibel an und zur anderen Hälfte der Theologie. Aus all dem läßt sich schließen, daß die Bibel des Heiligen Ludwig auch unter diesem Gesichtspunkt eine Bibel sui generis, ein einzigartiges Werk ist.
Eine Königliche Bibel
Alfons X. erklärte in seinem Testament, daß die Bibel ausschließlich für den Gebrauch der Könige angefertigt wurde. Aber die Frage ist, warum der König von Frankreich und seine Mutter diese Bibel gebraucht haben könnten? Handelte es sich dabei vielleicht um eine kostspielige Kaprice? Es ist keine Dokumentation über den Auftrag des französischen Königshauses an die Abschreiber und Koloristen erhalten geblieben, aber es ist anzunehmen, dass das Werk für den eigenen Gebrauch angefertigt wurde. Bücher an sich wurden damals hergestellt, um den Menschen zur Weiterbildung und Information zu dienen. Da der französische Prinz sich damals in seiner Ausbildung befand, ist anzunehmen, dass die Bibel pädagogische Zwecke hatte und als Hilfsmittel für die Ausbildung des zukünftigen Monarchen angefertigt wurde. Man nimmt sogar an, daß die Schenkung an Alfons X. mit der Intention stattfand, daß die Bibel auch hier erzieherische Zwecke erfüllen sollte in bezug auf die Ausbildung seines Erstgeborenen und allen folgenden Kindern.
Datierung
Das letzte große Miniaturbild des letzten Blattes ermöglicht uns die Herstellungsdaten der Bibel einzugrenzen. Ludwig IX. von Frankreich wurde im Jahre 1214 geboren und bestieg den Thron im Jahre 1226. 1234 vermählte er sich mit Margarete, der Tochter von Ramón Berenguer IV., Graf der Provençe. Da der König bereits als Regierender auf dem Blatt dargestellt wird, aber noch nicht verheiratet war (seine zukünftige Gemahlin wird nicht neben ihm abgebildet), muß die Bibel zwischen 1226 und 1234 fertiggestellt worden sein.
Ikonographie
Der Bibeltext und seine Kommentare bilden eine einzige Einheit mit der Ikonographie. Der zur Verfügung stehende, rechteckige Raum wird in vier vertikale Spalten unterteilt, die nicht gleich breit sind: die zwei engeren Spalten beinhalten den Text und die beiden anderen Spalten wurden reich verziert und enthalten jeweils vier Medaillons. Bei acht Medaillons pro Seite kommen wir auf eine Summe von 4.887 illuminierten Szenen in allen drei Bänden. Der Bibeltext ist häufig abgekürzt und es folgen ihm Kommentare nach dem vierfachen Sinn der Heiligen Schrift: dem historischen, dem allegorischen, dem tropologischen und dem anagogischen. Diese Bibel ragt vor allem aufgrund ihrer extravaganten ikonographischen Darstellungen heraus. Jedes einzelne Medaillon reproduziert eine Szene, die entweder auf die Bibelgeschichte abgestimmt ist oder auf ihre theologische Exegese. Die Künstler haben dafür die verschiedensten Farben (Blau, Grün, Rot, Gelb, Grau, Orange, Violett) auf einem goldenen Hintergrund verwendet. Es wurde eine Vielzahl von technischen und künstlerischen Hilfsmittel mit großer Ausdruckskraft angewandt. In den meisten Fällen stellt ein Medaillon bloß eine Szene dar, aber manchmal ist ein Medaillon durch eine Wolke, einen Bogen oder einfach durch eine Linie in zwei oder mehrere Teile unterteilt. Die Miniaturmaler haben moralische Kommentare dazu verwendet, um sozialkritische Szenen aus dem Blickwinkel des Klosters einzubringen. In der Bibel Ludwigs des Heiligen wird eine Weltanschauung dargelegt, welche die erste Hälfte des 13. Jahrhundert umfaßt: die Menschen und sozialen Gruppen, ihre Laster und ihre Vorzüge, ihre Kleidung, ihre Bräuche, ihr Glaube, ihre Spiele und ihre Ideale. Auf diese Art ermöglicht uns die Bibel Ludwigs des Heiligen einen Streifzug durch das Mittelalter zu machen.
Die Werkstatt
Obwohl keine historische Quelle uns darüber informiert, wo das Werk angefertigt wurde, gibt es fast keine Zweifel, daß die Bibel in Paris hergestellt wurde. Nicht nur, weil es die Hauptstadt des Königtums und Sitz des Hofes war, sondern vor allem, weil die angesehenste theologische Fakultät ganz Europas in ihr beheimatet war. Diese Umstände waren ausschlaggebend dafür, daß sich in und rund um Paris die Nachfrage für biblische Manuskripte, vor allem für reich illuminierte, häufte und zwar bis zu dem Punkt, daß Paris die Herstellung dieser Art von Büchern beinahe monopolisierte, weil keine Stadt mit ihr weder in Qualität noch Quantität konkurrieren konnte. Die Bibel Ludwigs des Heiligen wurde in einer Epoche angefertigt, in der die scriptoria parisienses, die sich dieser Aufgabe widmeten, ihren Höhepunkt erreicht hatten.
Die Bedeutung dieses Werkes und der soziale Status jener, die es anfertigen ließen, lassen den Schluß zu, daß die Werkstätte, in der es angefertigt wurde, das höchste Prestige in Paris genoß. Dennoch ist der Name der Werkstätte unerwähnt geblieben.
Die Autoren
Die Autoren konnten bis heute nicht auf wissenschaftlich gesicherte Art identifiziert werden. Es gibt keine anderen Hinweise als jene, die das Werk selbst enthält, und hier nur das große Miniaturbild des letzten Blattes. Solange kein weiteres Dokument zum Vorschein kommt, muß man die Antworten auf die Autorenfrage im Kontext der letzten illuminierten Seite suchen.
Auf der genannten Seite sind vier Personen zu sehen, zwei größere im oberen Bildstreifen und zwei kleinere im darunterliegenden Bildfeld.
Der untere Bildstreifen ist jenen reserviert, die eine niedere soziale Stellung haben in der Gesellschaft. Die untergeordnete Stellung dieser beiden Personen ist offenkundig, weil ihre kleineren Darstellungen sich auf niederer Ebene befinden, was bedeutet, daß sie auch bezüglich der Verantwortung für das Werk eine untergeordnete Funktion haben. Es erscheint zunächst ein in seinem Kirchenstuhl sitzender Kleriker, der sich an den Abschreiber wendet, ihm Anweisungen gibt und dessen Arbeit kontrolliert. Besagter Kleriker trägt religiöse Kleidung. Es ist aber von vornherein eine Intervention von seiten einer Person mit Bischofswürde auszuschließen, wie es gelegentlich vorgeschlagen wurde.
Es wurde absichtlich vermieden den Kleriker in der Tracht eines bestimmten Orden darzustellen. Meiner Meinung kann man diese Ambiguität damit erklären, daß diejenigen, die den Abschreibern Weisungen gegeben haben, verschiedenen religiösen Orden angehört haben.
Wenn man dieser Interpretation der letzten Miniatur zustimmt, so ist die Frage nach der Autorenschaft der Bibel wenigstens teilweise beantwortet. Die große illuminierte Seite legt nahe, daß alle vier dargestellten Personen für die Entstehung der Bibel verantwortlich sind, und zwar jede einzelne in einem konkreten Teilaspekt. Es handelt sich daher um eine geteilte Autorenschaft. Der Königin fällt die Initiative für das Projekt zu, weiters die Schirmherrschaft, die Finanzierung, sowie das Recht, die grundlegenden Richtlinien vorzugeben, nach denen sich das Werk richten soll. In einer gewissen Weise ist auch der König, für den die Bibel bestimmt ist, für die Entstehung des Werkes maßgeblich. Er ist der Nutznießer derselben. Man dachte bei der Herstellung des Buches an ihn, an seine christliche Erziehung und an seine politischen Aufgaben als König.
Auch der Kleriker ist Teil der Autorenschaft, er führt die erhaltenen Anweisungen aus, wendet sie an und leitet die Kunsthandwerker des Buches. Wir haben bereits gesagt, daß es sich wahrscheinlich um eine Gruppe von Ordensgeistlichen handelt, die zum Großteil aus Mitgliedern der beiden Bettelmönchsorden besteht: Dominikanern und Franziskanern. Sie waren für das allgemeine Aussehen des Buches mit all seinen besonderen Charakteristika zuständig.
Der Abschreiber, der auf der letzten Miniatur dargestellt ist, repräsentiert eine Gruppe von Kunstbuchhandwerkern, die aktiv an der Entstehung des Buches teilgenommen haben. Es genügt, einen beliebigen Band der Bibel durchzublättern, um sich von der großen Anzahl der Hände zu überzeugen, die an der Abschrift beteiligt waren. Für die Verzierung dieses unvergleichlich schönen Werkes, welches die Bewunderung und die Hochschätzung der gebildetsten Könige jener Zeit gewann, dürfen wir nicht die Beteiligung der Koloristen vergessen, die wohl hauptsächlich für die Herstellung des Werkes zuständig waren.
Ramón Gonzálvez Ruiz
Kanoniker, Archivar und Bibliothekar
Die Limitierte Ausgabe des «quasi-original»
Das lang erwartete «Quasi-Original» der Bibel Ludwigs des Heiligen, ist ein sowohl historisch als auch künstlerisch sehr wertvolles Dokument seiner Zeit. Indem der Verleger M. Moleiro es dem Publikum zur Verfügung stellt, erleichtert er einerseits den Wissenschaftern auf diesem Thema und andererseits den Buchliebhabern den Zugang zu diesem wundervollen Manuskript. Die Bibel Ludwigs des Heiligen ist ein einzigartiges Meisterwerk der Buchkunst und eine unerschöpfliche Quelle für Historiker.